Das Ricardo-Modell und seine Grundlagen

Einführung

In dieser Vorlesung werden die grundlegenden Aspekte des internationalen Handels untersucht, insbesondere das Ricardo-Modell. Die zentralen Themen sind:

Handel und Technologieunterschiede
Opportunitätskosten
Komparativer Vorteil
Gewinne aus Außenhandel
Absoluter Vorteil und Lohnunterschiede zwischen Ländern

Quelle: Feenstra und Taylor (2021), Kapitel 2

Beispiel: Snowboard-Importe in die USA, 2014

Die USA haben im Jahr 2014 mehr als 350.000 Snowboards aus 18 Ländern importiert. Es zeigt sich eine große Heterogenität der Importe:

Charakteristika der Herkunftsländer
Stückpreise der Snowboards

Beispielhafte Importe:

China: 210.000 Stück, Preis je $62
Kanada: 15.700 Stück, Preis je $18
Deutschland: 1.000 Stück, Preis je $103

David Ricardo (1772–1823) und das Konzept des Merkantilismus

David Ricardo veröffentlicht 1817 das Buch "Principles of Political Economy and Taxation" und stellt grundlegende Theorien zum internationalen Handel auf.

Merkantilismus: Exporte sind positiv, da sie Gold und Silber ins Land bringen.
Importe werden negativ gesehen, da sie den Abfluss von Reichtum verursachen.
Ricardos Modell dagegen besagt: Alle Länder profitieren vom internationalen Handel, da Exportwert dem Importwert entspricht.

Das Ricardo-Modell: Annahmen

Das Modell nimmt zwei Länder (Inland und Ausland) und zwei Güter (Weizen und Tuch) an.

Produktion erfolgt ausschließlich durch Arbeit (Kapital und Land werden ignoriert).
Das Grenzprodukt der Arbeit ist konstant.
Arbeit ist perfekt mobil zwischen den Sektoren, aber nicht zwischen den Ländern.
Es herrscht vollkommene Konkurrenz auf den Güter- und Arbeitsmärkten.

Produktionsmöglichkeiten im Inland

Das Inland hat L = 25 Arbeitskräfte. Ein Arbeiter kann:

4 Scheffel Weizen produzieren (MPL_W = 4)
2 Meter Tuch produzieren (MPL_C = 2)

Maximal könnten 100 Scheffel Weizen oder 50 Meter Tuch produziert werden, was die Produktionsmöglichkeitenkurve definiert.

Produktionsmöglichkeitenkurve (PPF) des Inlands

Die PPF ist linear, da das Grenzprodukt der Arbeit in beiden Sektoren konstant ist.

Steigung der PPF = − MPL_C / MPL_W = − 1/2

Die Steigung zeigt die Opportunitätskosten des Weizens an.

Autarkiegleichgewicht im Inland

Im Autarkiegleichgewicht maximiert ein repräsentativer Konsument seinen Nutzen an der PPF:

Der Tangentialpunkt zwischen der PPF und der Indifferenzkurve ist entscheidend.
Die Grenzrate der Substitution entspricht der Steigung der PPF.

Löhne und Preise im Autarkiegleichgewicht

Im vollkommener Konkurrenz maximiert jeder Sektor den Gewinn:

Wertgrenzprodukt der Arbeit ist gleich dem Lohn.
In beiden Sektoren müssen Unternehmen den gleichen Lohn zahlen.

Die Gleichung ergibt, dass der relative Preis das Verhältnis der Grenzprodukte bestimmt: P_W / P_C = MPL_C / MPL_W.

Das Ausland

Das Ausland verfügt über L^* = 100 Arbeitskräfte. Ein Arbeiter kann:

1 Scheffel Weizen (MPL^*_W = 1)
1 Meter Tuch (MPL^*_C = 1)

Maximale Produktionsmöglichkeiten sind Q^*_W = 100 Scheffel Weizen und Q^*_C = 100 Meter Tuch.

Komparativer Vorteil

Die Opportunitätskosten in beiden Ländern sind entscheidend für den komparativen Vorteil:

Inland: OK für 1 Scheffel Weizen = 1/2 Meter Tuch; OK für 1 Meter Tuch = 2 Scheffel Weizen.
Ausland: OK für 1 Scheffel Weizen = 1 Meter Tuch; OK für 1 Meter Tuch = 1 Scheffel Weizen.

Inland hat den komparativen Vorteil für Weizen, das Ausland für Tuch. Jedes Land sollte das Gut exportieren, für das es einen komparativen Vorteil hat.

Handelsgleichgewicht

Mit internationalem Handel, ohne Transportkosten, wird der Weltmarktpreis für jedes Gut einheitlich sein.

Die relativen Preise betragen:

Im Inland steigt der Preis von Weizen, was zu mehr Weizenproduktion führt.
Im Ausland steigt der Preis von Tuch, was zu mehr Tuchproduktion führt.

Das Handelsgleichgewicht erfordert, dass ein Gleichgewicht für alle Güter erreicht wird.

Gewinne aus Außenhandel

Gewinne aus Außenhandel beeinflussen den Reallohn:

Reallohn in Einheiten von Gut C = w/P_C.
Reallohn in Einheiten von Gut W = w/P_W.

Handelsgewinne sind evident, wenn der Reallohn in Einheiten des Importguts steigt.

Relative Löhne und Internationaler Handel

Das Ricardo-Modell zeigt die Berechnungen für relative Löhne zwischen den Ländern:

Durch den Vergleich der Löhne ergibt sich:

w/w^* = PW/PC * MPLW/MPL^*C

Zusammenfassung

Das Ricardo-Modell bietet grundlegende Erkenntnisse:

Gegensätzlich zu den Merkantilisten, produziert balancierter Handel Wohlfahrtsgewinne für beide Länder.
Der komparative Vorteil ist entscheidend für Handelsmuster und nicht der absolute Vorteil.

Die relative Produktivität wird durch Lohnunterschiede ausgeglichen, wobei KV die Wettbewerbsfähigkeit eines Sektors bestimmt.

Diese Einsichten sind politisch bedeutsam, da merkanitilistische Ansichten weiterhin verbreitet sind und die Diskussion relevanter Handelsprobleme behindern.

Besonderheiten des Ricardo-Modells

Wegen seiner Einfachheit hat das Ricardo-Modell spezielle Eigenschaften:

Konstante Opportunitätskosten führen zur vollständigen Spezialisierung.
Kein Handel ohne Technologieunterschiede.
Keine Berücksichtigung von Verteilungseffekten, da alle Individuen identisch sind.

In zukünftigen Vorlesungen werden ergänzende Modelle untersucht, die den Handel auch ohne Technologieunterschiede und mit Fokus auf Verteilungseffekte im Inland einschließen.

Das Ricardo-Modell: Grundlagen und Implikationen

Das Ricardo-Modell: Grundlagen und Implikationen